Interview mit ichwillspass.de

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Das Interview wurde schriftlich geführt zwischen Soti von ichwillspass.de und Haiko Herden

82 – 85, jetzt „Re-United“ ; wie bzw. warum kam es zur, ich nenne es mal, „kreative Pause“ ?
Für Charles Lindbergh n.e.V. gab es gleich zwei Initialzündungen. Zum einen war das eine Fernsehsendung im NDR, bei der DAF, Joachim Witt, Blümchen Blau oder auch Kosmonautentraum zu sehen waren. Das gab die Erkenntnis, dass wir so etwas auch tun wollten. Etwa zur gleichen Zeit gab es ein Bandfestival in unserer Schule, bei der eine Schülerband namens "Die Gelbe Gefahr" spielte, standesgemäß mit Casio und Saxophon sowie deutschen Texten. Seitdem waren Carol und Haiko, die beide gerade mittels Heimorgel das Tastenspiel erlernten, bestrebt, Mitstreiter zu suchen, für Gitarre, Bass und Schlagzeug. Bald waren welche gefunden, Frank an der Gitarre, Christoph am Bass und René am Schlagwerk. Nachdem René aber nicht einmal zur Probe erschienen ist, hat Thomas sich erst mit Tischen und Stühlen und später mit dem Schulschlagzeug in die Band hineingespielt. In der Besetzung gab es dann 1983 auch den einzigen Auftritt der Band bei einem Bandfestival. Und etwas zur gleichen Zeit gab erste Aufnahmen bei Volker, der sich in seinem Jugendzimmer ein kleines Tonstudio eingerichtet hatte. Hier wurde mit dem Casio MT-65, Casio PT-20 und dem Casiotone 1000P Aufnahmen gemacht. Da das Jugendzimmer jedoch zu klein war, konnte man kein Schlagzeug dort aufbauen, sodass man sich mit den eingebauten Rhythmen der Casios begnügte. Als dann später noch die legendären Digi Drums von Dr. Böhm inklusive Böhmaten hinzukamen, wurde das echte Schlagzeug hinfällig. So entstanden etliche Aufnahmen, die man auf dem Album "Duesenjaeger", das es kostenfrei bei Bandcamp zum Runterladen gibt, hören kann. 1985 wurde dann aus Charles Lindbergh n.e.V. die Band News On Friday, doch dazu gleich mehr. Die "kreative Pause" entstand 1986. Als Ausschlag mag genannt werden, dass Haiko plötzlich in etlichen anderen Projekten zugange war, so zum Beispiel Anti Trust, Cruel Vengeance, Tuesday und einigen mehr. Nachdem Carol dann durch Abi-Stress und anschließendem Zivildienst zeitlich eingespannt war, kam dann auch noch der Umstand hinzu, dass er sein Casiotone 1000P bei einem Umzug irgendwo stehenließ und Haiko sein Casio MT-65 am Wittenbergener Elbstrand verlor. Haiko hat dann musikalisch seine Projekte weiterverfolgt und nach der Schule verloren er und Carol sich aus den Augen. Haiko hat aber durchgehend weiter Musik gemacht, hauptsächlich mit seinem Wave-Projekt The Evasion On Stake, aber auch richtigen Bandprojekten wie The Black Ribbon, Johnny Beton (And The Mörtels) und einigen weiteren.

Inwieweit hat sich im Laufe der Zeit die Bandbesetzung verändert?
Carol und Haiko waren praktisch immer die kreativen Köpfe und haben viel komponiert, hatten vom Sound aber wenig Ahnung, wo dann Volker B. ins Spiel kam mit seinem kleinen Tonstudio. Die anderen Mitstreiter waren alles Mitschüler, René an den Drums war, wie erwähnt, nicht einmal zugegen, und Thomas ist dann als absoluter Anfänger eingesprungen. Thomas macht bis heute Musik in der Rockrichtung. Christoph war (mindestens) ein Jahrgang über Carol und Haiko und hatte den Bass übernommen. Bass und das echte Schlagzeug wurden dann obsolet, als man beides elektronisch erzeugen konnte.

Der Gruppenname: Woher der (berühmte) Name kommt, kann man sich denken; doch für was steht „n.e.V.“ ?
Charles Lindbergh kennt man ja als berühmten Flieger, aber den Namen konnte man so ja nicht nehmen, der war in dieser Form ja schon vergeben und wir wollten Verwechslungen vermeiden. Also dachten wir, setzen wir ein e.v. dahinter, also "eingetragener Verein". Da wir aber kleine Schisser waren und Angst hatten, dass man uns anzeigen würde, weil wir ja nun kein eingetragener Verein waren, kam also noch das n. davor, sodass es nun "nicht eingetragener Verein" bedeutet.

Wieso nanntet Ihr Euch später „News On Friday“(anstatt weiter zu machen unter dem Namen Charles Lindbergh N.E.V.)? „“Die Laufbahn ist Berechnung“ enthält ja auch Tracks von News On Friday“.
Als die NDW allerspätestens 1985 endgültig am Ende war (natürlich war sie es vorher schon, aber wir wollten es nicht wahrhaben), dachten auch wir, dass wir englisch singen müssten. Außerdem wollten wir, ganz im Einklang mit der damaligen Zeit, etwas düsterer klingen. Insofern musste auch ein neuer Bandname her. Und nach "Friday Is Fishday" dachten wir uns dann "News On Friday aus. Auf das "News" kamen wir vermutlich deshalb, weil Carol und Haiko große ELO-Fans waren, und die hatten auf ihrem Album "Time" ja ihren Hit "Here Is The News". Nach Der Re-Union wollten wir die alten Songs nochmal neu und besser aufnehmen, und da haben wir dann halt auch die Songs beider Bands zusammengeschmissen. Daraus ist dann das Album "Die Laufbahn ist Berechnung" mit den ganzen Re-Recordings entstanden.

Inwiefern hat sich Eure Soundproduktionen von damals verändert? Weiterhin analog oder quasi „alles am PC“?
Sowohl als auch, würde ich sagen. Aufgenommen, gemixt, gemastert wird natürlich via PC, jedoch nutzen wir auch die alten analogen Sachen weiter. Das Casiotone 1000P und das Casio MT-65 haben wir uns gebraucht wieder gekauft, und da sie unerlässlich sind für den Sound von Charles Lindbergh n.e.V. sind, werden sie auch weiterhin genutzt. Ein Microkorg ist noch dazugekommen, aber wir wollten den Sound auch nicht zu überfrachten.

Ihr habt einige Instrumentaltracks bzw. mit Vocalsamplings, für mich klassische Interludes; Ich nehme jetzt als Beispiele „An“ & „Aus“; sie haben schon einen gewissen Space Synth Touch. Hört Ihr auch privat Spacesynth? (Oblivion, Bellatrix, Mind Control, DDR Space Program,...)
Wir hatten schon immer viel instrumentale Stücke. Das Wort Vocalsampling würde ich in unserem Falle allerdings eher nicht in den Mund nehmen, die Sachen wurden einfach mit Kassetten in die Songs reingespielt, so zum Beispiel bei "Ridiculus". Bei "An" und "Aus" handelt es sich auch nur um Sprachaufnahmen fremdländischer Radiosender, die übereinandergelegt und verhallt wurden.

Märchenliebe (Einmal die Prinzessin sein)“, tolles Lied, ist (zumindest für mich) Dark Italo; ich musste automatisch an Tobias Bernstrup & 23rd Underpass denken. Habt Ihr Euch inspirieren lassen?
Die Reunion fand statt, als Jörg Steinmeyer von Kernkrach Records 2003 eine Vinyl-Single mit vier unserer alten Songs veröffentlichte und wir gefragt wurden, auf dem Kernkrach Festival zu spielen. Das war für Haiko die Gelegenheit, nach ewiger Zeit mal wieder Carol zu kontaktieren und die alte Schülerband wieder aufleben zu lassen. Carol hatte große Lust, und so wurden erst einmal die alten Songs wieder geprobt für den Auftritt. Zum Neustart der Band war noch eine Sängerin namens Suntje mit dabei. Später hat Frauke dann die Band beehrt und der Musik noch einmal neue Impulse gebracht. Leider gibt es nur wenige Aufnahmen mit ihr, unter anderem die Single „Kartoffelmesser“ als auch ein paar Samplerbeiträge. Mittlerweile machen Carol und Haiko die Band als Duo weiter.

Nach der Reunion gab es etliche neue Songs, Samplerbeiträge, Singles und ein Album auf CD. Die neueren Sachen kann man alle bei den gängigen Anbietern streamen, bei Bandcamp gibt es mittlerweile den kompletten Katalog von Charles Lindbergh n.e.V., zum Teil kostenlos. "Märchenliebe" wurde von Suntje gesungen. Eine Inspiration dazu hatten wir eigentlich nicht, es gab nur den von Suntje geschriebenen Text. Der Rest entstand einfach so beim Machen.

Body Building“ beim Intro, die Vocalsamplings, ich musste automatisch an KLF denken (besonders an ihre „KLF vs PSB“ Remixes). Woher habt Ihr diese „Weltall Samplings“?
Bei der Ur-Version des Liedes wurde einfach am Sendersuchlauf eines Radios gedreht. Das ging früher ja noch schön analog mittels Drehknopf. Bei der Neuaufnahme auf "Die Laufbahn ist Berechnung" haben wir, wie auch bei "An" und "Aus", irgendwelche Radiosender übereinandergelegt.

Wie kam es zum Auftritt mit Sonnenbrandt (Stichwort: MS Claudia) ? War es schon länger geplant oder kurzfristig eingeladen?
Zusammen mit Alexander Pohle betreibt Haiko ja das Label "NLW - Musik fuer gute Leute", wo die Band Sonnenbrandt ebenfalls auf drei Tonträgern erschien. Auf der MS Claudia (das ist ein mietbares, kleines Veranstaltungsschiff, das dann durch den Hamburger Hafen schippert) wurde die Record Release Fete abgehalten, und die Gelegenheit wurde dann für einen Auftritt genutzt. Hier war Carol aber nicht dabei, das war nur ein abgespeckter Mini-Auftritt von Suntje und Haiko.

Hattet Ihr weitere Auftritte / Gigs mit anderen Gruppen / Artisten?
Nach der Reunion gab es einige Auftritte. Beispielsweise beim "Young And Cold Festival" (mit Avon Rim, Solitude FX und Bal Pare), "Zellverfall 11" (neben Nine Cirles, The Spiritual Bat und Die Selektion), beim "Minicave Festival" (neben Rosi und Frustration) oder beim "Kein Kiel" (neben Girls Under Glass und No More).

@Haiko: Du hast unter deinem eigenen Namen (dazu später) & unter dem Projekt(namen?) The Evasion on Stake Tapes / MusicCassettes veröffentlicht & dann noch „Anti Trust“. Erkläre uns den Unterschied zwischen Dir, Haiko, & „The Evasion“ & Anti Trust: Was repräsentieren Deine drei „Persönlichkeiten“? Inwiefern auch musikalisch?
Es schlugen ja schon immer mehrere Herzen in mir. Einerseits mag ich das Minimale, dem ich mit Charles Lindbergh n.e.V. und Anti Trust fröne, andererseits das Monumentale, was ich bei The Evasion On Stake auslebe.

Anti Trust ist praktisch Synthiepop/-wave mit meist deutschen Texten. Die ersten drei Tapes entstanden zwischen August und Oktober 1986. Damals brauchte es nur 30 Minuten vom Text bis zum fertigen Lied. Das hört man sicher auch, trotzdem war es eine ungeheure kreative Erfahrung. Zu der Zeit habe ich viel mit Leuten Musik gemacht, die gar nichts konnten, und es ist erstaunlich, wie viel ungebändigte und trotzdem höchst kreative Dinge dabei herauskamen. Aus Anti Trust wurde dann The Evasion On Stake. Das Projekt hatte auch viele wavige Gitarren in sich vereint, und die aktuellen Sachen grenzen darüber hinaus auch schon an Shoegaze und Dreampop.
Ein neues Minimal-Projekt kommt in Kürze noch hinzu und nennt sich Die Rote Gefahr. Minimaler als Anti Trust und Charles Lindbergh n.e.V.. Benannt einerseits als Hommage an Die Gelbe Gefahr (s.o.) als auch nach dem gleichnamigen Buch "Die Rote Gefahr (Buch)", das ich vor einigen Jahren mal rausgebracht habe (und wo es demnächst mehr zu sagen gibt).

All die Projekte kann man bei Bandcamp als auch bei den gängigen Streaming-Services anhören.